Von der Gründung bis zum Ende der Republik (1922 bis 1933)
Emil Molt: "Entwurf meiner Lebensbeschreibung", Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1972 S. 202 ff:
Emil Molt schildert, wie es zur Gründung der ersten Waldorfschule in Stuttgart kam. Ende des Ersten Weltkrieges hatte er in der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik in Stuttgart kostenlose Bildungskurse während der Arbeitszeit
für die Arbeiterschaft eingerichtet, um die verzweifelte und hoffnungslose Stimmung nach dem verlorenen Krieg etwas mit Aussicht versprechenden Inhalten auszugleichen. An den Kursen wurde lebhaft teilgenommen. Schließlich
konnten die Kosten dafür nicht mehr vollständig vom Unternehmen aufgebracht werden. Und die Arbeiter sollten sich zur Hälfte daran beteiligen. Da nahm die Teilnahme rasch ab, so dass die Kurse eingestellt werden mussten.
Emil Molt führte dies auf die erheblich größeren Anstrengungen zurück, die Lernen mit zunehmendem Alter gegenüber der Jugendzeit erfordert. Dies habe ihn zu ersten Überlegungen zu einer Schule für
die Kinder seiner Arbeiter angeregt und veranlasst, Rückstellungen vorzunehmen.
Den 23.April 1919 benennt Emil Molt als den "eigentlichen Geburtstag der Waldorfschule" (S. 203). Nach dem ersten Arbeitervortrag Rudolf Steiners in der Waldorf Astoria habe er auf der anschließenden gemeinsamen
Betriebsratssitzung von seiner Absicht gesprochen, eine Schule für die Kinder der Betriebsangehörigen zu schaffen und Rudolf Steiner gebeten, Einrichtung und Leitung der Schule zu übernehmen. Er teilte mit, dass aus
dem Gewinn von 1918 bereits 100000 Mark dafür zurückgestellt worden seien, was Steiner, zu Molts Verwirrung, als einen "netten Betrag" bezeichnet habe.
Am 21. August 1919 begann der Lehrerkurs, am 7. September die feierliche Eröffnung (S. 206). Bis dahin waren die Lehrer geworben, hatte Emil Molt das Gelände an der Uhlandshöhe für 450000 Mark erworben und das
vorhandene Gebäude für die Nutzung als Schule für 50000 Mark umbauen lassen. Die Lehrergehälter wurden von ihm gezahlt. Im Jahr darauf sorgte er dafür, dass angrenzendes Gelände für 500000 Mark
hinzu erworben wurde. Hier entstanden bald zwei Lehrerhäuser, eine Eurythmieschule, ein Forschungsinstitut mit Versuchsgelände, drei Privathäuser, der Rest wurde Schulgarten.
Danach wurde 1921 in Köln eine weitere Waldorfschule eröffnet, die aber bereits 1925 wieder schließen musste.
Im Jahr darauf schickte Rudolf Steiner einen jungen Lehrer aus Jena: Heinz Müller hatte eben das Lehrer Examen abgelegt und die begonnene Hochschullaufbahn abgebrochen, als er von Rudolf Steiner den Auftrag erhielt, in die Schule
in Wandsbek einzutreten.
"Das darf keine Winkelschule werden. Sorgen Sie dafür, daß immer mehr weltmännischer Geist dort waltet!" - bekam er mit auf den Weg.
Berichte, Bilder, Dokumente
Ilse Kändler und Heinz Müller mit Schülern
Bericht von Ilse Kändler
ausführliche Biographie zu Ilse Kändler Rolofs
von Lasse Wennerschou
Bericht von Heinz Müller
Gründungs-Erklärung
Satzung 20er Jahre
Inhaltsverzeichnis
Die Schule traf auf unerwarteten Widerstand. Im Hamburger Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft waren Warnungen vor der neuen Schule in Wandsbek verbreitet worden, so dass zu wenige Kinder angemeldet worden waren. Und die Stuttgarter
Schule gab zunächst die Ergebnisse der von Rudolf Steiner gehaltenen Pädagogischen Kurse nicht an die Wandsbeker Schule weiter. Beides bedurfte zur Regelung des persönlichen Eingreifens von Rudolf Steiner. aus
Ilse Kändler 1972, mündlich Heinz Müller 1965
Als die Anmeldungen dann rasch zunahmen, wurde in der Bleicherstraße (heute Kattunbleiche), nahe dem zukünftigen Schulgrundstück, ein Erweiterungsbau als Schulraum zur Villa hinzuerworben.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in Hamburg mehrere Schulen besonderer Prägung, von denen einige in der Erneuerung der Schulpädagogik in Deutschland Bedeutung
gewannen. Dennoch fand der Versuch, die "Freie Goethe Schule" nach Hamburg zu verlegen, bei der sozialdemokratischen Schulverwaltung kein Entgegenkommen.
Die damalige Schule in Altona
Seit neun Jahren bestand die Freie Goethe-Schule 1931, und seit sieben Jahren wurde bereits im großen neuen Schulhaus unterrichtet, als Spannungen, die seit geraumer Zeit innerhalb der Lehrerschaft schwelten, dazu führten, dass vier
Kollegen überraschend mit einem Teil ihrer Schüler auszogen und die Freie Schule-Altona an der Flottbeker Chaussee 101 als eigene Waldorfschule gründeten.
Es hatte sich Unmut daran entzündet, dass in der Satzung des Schulvereines Beschlüsse allein einer Gruppe von 9 Personen, dem sogenannten Gründerverein, vorbehalten waren. Die Zusammensetzung des Gründerverein war durch
den Gründungsvorgang, und nicht durch Wahl entstanden; neue Mitglieder wurden von den Gründerverein-Mitgliedern ernannt, sie konnten nicht von den Schulvereinsmitgliedern gewählt werden. Dies war Dr. Max Kändler von
Rudolf Steiner empfohlen worden, um der Entfremdung der Schulidee bei allgemeinem Wahlrecht durch Unterwanderung durch eine Interessengruppe vorzubeugen. Eine solche Verfassung stand aber in krassem Widerspruch zu den während der Weimarer
Republik entwickelten Verfahren allgemeinen, gleichen Wahlrechtes, dem besonders mehrere der jüngeren Lehrer anhingen.
Als beide Schulen diesen schweren Einschnitt glücklich überstanden hatten, begannen bald darauf die Eingriffe durch die Nationalsozialistischen Behörden.
Die Freie Goethe-Schule im Bild
Satzung von 1933
Ein Teil des Kollegiums Ende der 20ger Jahre
Freie Goethe Schule 1936-1937 in eigener Darstellung und Bilanz
Reaktionen der Behörden 1937
Erinnerungen von vier Schülerinnen an die Freie Goethe-Schule
Inhaltsverzeichnis