Schulen in Hamburg zur Zeit der Gründung
Heinz Müller

So war also die freie Goethe Schule aus den kleinsten Anfängen heraus begründet worden. In der Zeit nach dem ersten Weltkriege waren gerade in Hamburg Schulen entstanden, in denen begeisterte Pädagogen vieles vom dem zu verwirklichen suchten, was damals als neue Ideale in die Erziehungsarbeit einfloß. Der bloße Lernbetrieb sollte durch stärkere Eigenbetätigung der Schüler im Diskutieren, im Experimentieren und besonders auch im künstlerischen Schaffen belebt werden. Die Schüler sollten zu ihren Lehrern ein möglichst freies, fast freundschaftliches Verhältnis pflegen können. Von diesen Schulen, in denen mit Hingabe und Eifer dieser neue Schulstil angewandt wurde, sprach man weit über Hamburgs Grenzen hinaus. Es hatte diese Pädagogik einen revolutionären Charakter, und man versprach sich viel Fruchtbares davon. - In diese Situation fiel die Gründung unserer Schule ein wenig abseits draußen in Wandsbek, so daß sie zunächst, wie in einen Winkel Hamburgs verbannt schien. In der Hansestadt war man damals gegen diese private Schulgründung recht ablehnend. Auch Schleswig-Holstein hatte die Genehmigung versagt. Erst durch das Kultusministerium in Berlin hatte Dr. Kändler diese erwirken können. Rudolf Steiner weilte um Ostern 1922 zu einem Vortrag in Hamburg und wollte die Freie Goethe Schule einweihen und eröffnen. Aber die schon längst mündlich zugesagte Genehmigung aus Berlin traf nicht ein. So mußte die Feierlichkeit bis Ende Mai verschoben werden. Rudolf Steiner hat die Schule infolge seiner Arbeitsüberlastung und seines frühen Todes nie mehr besuchen können. Wohl aber hatten wir später die Freude, Frau Marie Steiner bei uns begrüßen zu dürfen. Heinz Müller: "Spuren auf dem Weg", Seite 79

Es wurde beschlossen, im preußischen Wandsbek zu bleiben. Im März 1924 erwarb Hans Pohlmann ein ca. 5000 m2 großes Gelände an der Bleicherstraße, auf dem dann bereits 1925 das neue Schulgebäude fertiggestellt wurde. Es enthielt zehn Klassen- und entsprechende Fachräume sowie eine Aula mit etwa 400 Plätzen.

Ergänzung zum Text von Heinz Müller
Zu Grunde liegt: Klaus Rödler "Vergessene Alternativ-Schulen", München, 1987
"Die 1918 aus der November Revolution hervorgegangenen Arbeiter und Soldaten Räte wurden an vielen Stellen in Deutschland während der Ausbreitung der Revolution ausgemerzt, als Sympathisanten unter Missachtung von Recht und Gesetz zu Hunderten erschossen wurden.
In Hamburg war am 5. November eine Demonstration durch Gasbomben aufgelöst worden. Am Tag darauf wurde die Revolution ausgerufen und traf bei Bevölkerung und Regierung auf keinen entschiedenen Widerstand. Spontan gebildete Arbeiter Soldaten Räte wurden am 10. November durch Wahlen legitimiert.
Bereits am 12 November nahm eine Reihe von allgemeinen Lehrerversammlungen mit ihren Ausschüssen die Tätigkeit auf.
Die dort erarbeiteten Beschlüsse zu Bildungs- und Schulfragen, fanden Zustimmung der Arbeiter und Soldaten Räte und gelangten umgehend zur Ausführung.
Die Schule Telemannstrasse, die Schule am Berlinertor, die Schule Breitenfelderstrasse und die Schule am Tieloh wurden zu Versuchsschulen erklärt. Es wurde diesen nahezu vollkommene Freiheit der eigenen Gestaltung zuerkannt. Der Bestrebung schlossen sich in Hamburg 13 weitere Gemeinschaftsschulen an, denen aber nicht in gleichem Umfange Freiheit zugebilligt wurde.
Besonders die Versuchsschulen nahmen unerwartete individuelle Entwicklung. Die Erfahrungen mit neuen Unterrichtsformen gegenüber denen der "alten Pauk- und Drillschule" fanden weit über die Grenzen Hamburgs hinaus Aufmerksamkeit, Übernahme und Anerkennung: aufmerksame Beachtung der Entwicklung des Kindes, Einbeziehen der Erlebnis- und Erfahrungswelt des Kindes, hoher Anteil bildhafter Darstellung der Inhalte, möglichst aktive selbständige Beteiligung der Schüler an der Erarbeitung der Inhalte, zunehmende Einbeziehung künstlerischer Ausdrucksformen in Zeichnung, Malerei, plastischer Formgebung, Musik, ausdrucksvoller Sprache und Werktätigkeit in Bearbeitung von Holz und Metall." eigene Zusammenfassung aus der Einleitung des Buches

Einige dieser Schulen erhielten neue Gebäude, die ihrer sozialen Bedeutung angemessen ausgeführt wurden. Davon sind mehrere von Fritz Schumacher entworfen worden.
In dieser Umgebung hätte eine Waldorfschule damals ebenfalls ihren Ort finden können. Dies wohl aber nicht in ihrer damaligen ärmlichen und unscheinbaren Form der Anfänge der Freien Goethe Schule und als Gründung eines "Industriellen".
Inzwischen scheint dennoch von den damaligen revolutionären Hamburger Neuerungen besonders viel in den Waldorfschulen erhalten geblieben und weiter entwickelt worden zu sein.

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