"Als Heinz Müller im Dezember 1922 in Dornach darum bat, an den Proben zu den Oberuferer Spielen teilnehmen zu dürfen, traf er bei Rudolf Steiner zunächst auf entschiedene Ablehnung. Nachdem er aber geschildert hatte, dass er in Jena bereits mehrmals mit einer Wandervogel-Theatergruppe die Spiele einstudiert und aufgeführt hatte, lenkte Steiner ein. Als Regie-Kollege dürfe er natürlich teilnehmen."
. . . Und manches ist erst nach Jahrzehnten wieder lebendig geworden, als wir nach der Verbotszeit von neuem beginnen konnten, in unseren Schulen die Oberuferer Spiele aufzuführen. Denn wir haben im Grunde den Neuaufbau unserer Schulgemeinschaft dadurch zustande gebracht. Wir sind in Hamburg vom äußersten Westen, von Blankenese bis nach Poppenbüttel im Osten, gezogen, und haben von Weihnachten 1945 an durch die Aufführungen der Oberuferer Spiele und später auch des Redentiner Osterspiels die früheren Gruppen von Eltern, Schülern und Freunden wieder gesammelt. Durch die Begeisterung, die durch die Spiele ins Leben gerufen wurde, und durch die finanziellen Mittel, die dadurch hereinkamen, ist die Neugründung unserer Schule in Hamburg-Wandsbek erst in Gang gekommen. Nach 19 Aufführungen in fünf Monaten hatten wir nach Abzug der Ausgaben für Kostüme, Perücken, Requisiten und Schminkutensilien 60.000 RM erspielt. Dieses schöne Ergebnis gab mir zu Ostern 1946 den Mut, den Gründer unserer Schule, Herrn Ingenieur Hans Pohlmann, zu besuchen. Er war so begeistert, daß er die Summe verdoppelte.
. . . Als wir 1945 wieder anfingen die Spiele aufzuführen, mußten wir den Engländern gegenüber, die alles kulturelle Leben bei uns überwachten, besonders auf die Judenszenen achtgeben. Sie durften und dürfen keinesfalls so wirken, daß Antisemitismus darin anklingt. Vom Text her besteht durchaus die Gefahr. Aber das Gutmenschliche muß erhalten bleiben. Hier haben die Darsteller und die Zuschauer ein großes Maß an innerer Reife aufzubringen, daß trotz des aufgelockerten Spiels der ganze Schicksalsernst der damaligen Zeit auch in diesen Szenen lebendig und bewußt bleibt." Heinz Müller: "Spuren auf dem Weg", Seite 53

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