Von der Gründung bis zum Ende der Republik (1922 bis 1933)

Die Entstehung der Waldorfschule

Christoph Lindenberg: "Rudolf Steiner - eine Biographie", Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart (1997), TB 2011, S. 648
Nach Schilderung des Beginnes der Dreigliederungsbewegung schreibt Christoph Lindenberg:
Vor allem Emil Molt . . . . wurde an vielen Stellen politisch aktiv. So wurde ihm zunächst nicht vollends bewusst, was ihm begegnete, als er Mitte November auf einem seiner vielen Gänge durch den von ihm geleiteten Betrieb seinen Werkmeister Speidel traf, der ihm erzählte, daß der Sohn eines seiner Kollegen auf Empfehlung der Lehrer hin auf die höhere Schule versetzt worden war. Molt spürte instinktiv, was das im Gefühl seines Mitarbeiters auslöste. Für Molt ergab sich aus diesem Gespräch die Idee einer Schulgründung für die Kinder der Arbeiter.

Emil Molt: "Entwurf meiner Lebensbeschreibung", Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 1972 S. 202 ff:
Emil Molt schildert, wie es zur Gründung der ersten Waldorfschule in Stuttgart kam. Ende des Ersten Weltkrieges hatte er in der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik in Stuttgart kostenlose Bildungskurse während der Arbeitszeit für die Arbeiterschaft eingerichtet, um die verzweifelte und hoffnungslose Stimmung nach dem verlorenen Krieg etwas mit Aussicht versprechenden Inhalten auszugleichen. An den Kursen wurde lebhaft teilgenommen. Schließlich konnten die Kosten dafür nicht mehr vollständig vom Unternehmen aufgebracht werden. Und die Arbeiter sollten sich zur Hälfte daran beteiligen. Da nahm die Teilnahme rasch ab, so dass die Kurse eingestellt werden mussten. Emil Molt führte dies auf die erheblich größeren Anstrengungen zurück, die Lernen mit zunehmendem Alter gegenüber der Jugendzeit erfordert. Dies habe ihn zu ersten Überlegungen zu einer Schule für die Kinder seiner Arbeiter angeregt und veranlasst, Rückstellungen vorzunehmen.
Den 23.April 1919 benennt Emil Molt als den "eigentlichen Geburtstag der Waldorfschule" (S. 203). Nach dem ersten Arbeitervortrag Rudolf Steiners in der Waldorf Astoria habe er auf der anschließenden gemeinsamen Betriebsratssitzung von seiner Absicht gesprochen, eine Schule für die Kinder der Betriebsangehörigen zu schaffen und Rudolf Steiner gebeten, Einrichtung und Leitung der Schule zu übernehmen. Er teilte mit, dass aus dem Gewinn von 1918 bereits 100000 Mark dafür zurückgestellt worden seien, was Steiner, zu Molts Verwirrung, als einen "netten Betrag" bezeichnet habe.
Am 21. August 1919 begann der Lehrerkurs, am 7. September die feierliche Eröffnung (S. 206). Bis dahin waren die Lehrer geworben, hatte Emil Molt das Gelände an der Uhlandshöhe für 450000 Mark erworben und das vorhandene Gebäude für die Nutzung als Schule für 50000 Mark umbauen lassen. Die Lehrergehälter wurden von ihm gezahlt. Im Jahr darauf sorgte er dafür, dass angrenzendes Gelände für 500000 Mark hinzu erworben wurde. Hier entstanden bald zwei Lehrerhäuser, eine Eurythmieschule, ein Forschungsinstitut mit Versuchsgelände, drei Privathäuser, der Rest wurde Schulgarten.

Danach wurde 1921 in Köln eine weitere Waldorfschule eröffnet, die aber bereits 1925 wieder schließen musste.

Gründung der Freien Goethe-Schule

Die Gründer der Freien Goethe-Schule
Hans Pohlmann Ilse Kändler Bild Heinz Müller Dr. Max Kändler

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Im Winter 1919 suchten Ingenieur und Bauunternehmer Hans Pohlmann und seine Frau Emilie Rudolf Steiner für die Gründung einer Waldorfschule in Hamburg zu gewinnen. Als Hans Pohlmann sich bereit erklärt hatte, für Grundstück, Räume und auch zunächst für die Lehrergehälter zu garantieren, stimmte Rudolf Steiner der Gründung der "Freien Goethe-Schule" in der preußischen Stadt Wandsbek zu. Er gewann Dr. Max Kändler, Schulrat aus Thüringen, für die Leitung der Schule. Doktor Kändler und seine eben siebzehnjährige Tochter Ilse begannen in der geräumigen Villa von Hans Pohlmann, in der Jüthornstraße 4a, mit neun Kindern am 22. Mai 1922 den Unterricht.
"Gelegentlich von Stuttgart-Vorträgen um 1919/20 herum rief Rudolf Steiner meinen Vater zu sich und erzählte ihm, daß Herr Ingenieur Hans Pohlmann da gewesen sei, der gern sähe, daß in Hamburg eine Waldorfschule entstünde. Er könne vorerst eine Villa dafür zur Verfügung stellen und wolle auch sonst finanziell helfen. Ob mein Vater nicht die pädagogische Seite übernehmen wolle." -Ilse Kändler 1972
"Mit Bezug auf die Schulgründungsfrage erbat sich mein Vater eine Nacht Bedenkzeit. Er war immerhin schon 50 Jahre alt, liebte seine Arbeit und seine Lehrer in Greiz sehr und sah deutlich das finanzielle Risiko ohne eine "Beamten-Sicherheit". Aber er sagte am nächsten Morgen zu und besprach die nächsten Schritte mit Rudolf Steiner." Ilse Kändler 1972
"Wandsbek, wo die Villa von Herrn Hans Pohlmann stand, gehörte 1922 noch zu Preußen. Mein Vater mußte also in dem nun beginnenden Behördenkampf immer wieder nach Berlin reisen und verhandeln. Man war dort mißtrauisch und konnte nicht verstehen, daß ein Kreisschulrat seine gesicherte Beamtenlaufbahn aufgeben wollte, um mit ein paar Kindern etwas Neues zu beginnen. Die Genehmigung wurde immer wieder hinausgezögert. Ilse Kändler 1972
"Bei der Namengebung der Schule wollte mein Vater sie gerne "Rudolf Steiner Schule" nennen, aber Rudolf Steiner meinte: "Warum wollen Sie sich denn mit meinem Namen Steine in den Weg legen? Tun Sie das lieber nicht!" - Darauf fragte mein Vater, ob man sie denn "Goethe Schule" nennen solle. Davon war Rudolf Steiner begeistert." Ilse Kändler 1972

Im Jahr darauf schickte Rudolf Steiner einen jungen Lehrer aus Jena: Heinz Müller hatte eben das Lehrer Examen abgelegt und die begonnene Hochschullaufbahn abgebrochen, als er von Rudolf Steiner den Auftrag erhielt, in die Schule in Wandsbek einzutreten.
"Das darf keine Winkelschule werden. Sorgen Sie dafür, daß immer mehr weltmännischer Geist dort waltet!" - bekam er mit auf den Weg.

Berichte, Bilder, Dokumente

Ilse Kändler und Heinz Müller mit Schülern

Bericht von Ilse Kändler

ausführliche Biographie zu Ilse Kändler Rolofs
von Lasse Wennerschou


Bericht von Heinz Müller

Gründungs-Erklärung

Satzung 20er Jahre

Inhaltsverzeichnis

Die Schule traf auf unerwarteten Widerstand. Im Hamburger Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft waren Warnungen vor der neuen Schule in Wandsbek verbreitet worden, so dass zu wenige Kinder angemeldet worden waren. Und die Stuttgarter Schule gab zunächst die Ergebnisse der von Rudolf Steiner gehaltenen Pädagogischen Kurse nicht an die Wandsbeker Schule weiter. Beides bedurfte zur Regelung des persönlichen Eingreifens von Rudolf Steiner. aus Ilse Kändler 1972, mündlich Heinz Müller 1965
Als die Anmeldungen dann rasch zunahmen, wurde in der Bleicherstraße (heute Kattunbleiche), nahe dem zukünftigen Schulgrundstück, ein Erweiterungsbau als Schulraum zur Villa hinzuerworben.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in Hamburg mehrere Schulen besonderer Prägung, von denen einige in der Erneuerung der Schulpädagogik in Deutschland Bedeutung gewannen. Dennoch fand der Versuch, die "Freie Goethe Schule" nach Hamburg zu verlegen, bei der sozialdemokratischen Schulverwaltung kein Entgegenkommen.

Die damalige Schule in Altona

Seit neun Jahren bestand die Freie Goethe-Schule 1931, und seit sieben Jahren wurde bereits im großen neuen Schulhaus unterrichtet, als Spannungen, die seit geraumer Zeit innerhalb der Lehrerschaft schwelten, dazu führten, dass vier Kollegen überraschend mit einem Teil ihrer Schüler auszogen und die Freie Schule-Altona an der Flottbeker Chaussee 101 als eigene Waldorfschule gründeten.
Es hatte sich Unmut daran entzündet, dass in der Satzung des Schulvereines Beschlüsse allein einer Gruppe von 9 Personen, dem sogenannten Gründerverein, vorbehalten waren. Die Zusammensetzung des Gründerverein war durch den Gründungsvorgang, und nicht durch Wahl entstanden; neue Mitglieder wurden von den Gründerverein-Mitgliedern ernannt, sie konnten nicht von den Schulvereinsmitgliedern gewählt werden. Dies war Dr. Max Kändler von Rudolf Steiner empfohlen worden, um der Entfremdung der Schulidee bei allgemeinem Wahlrecht durch Unterwanderung durch eine Interessengruppe vorzubeugen. Eine solche Verfassung stand aber in krassem Widerspruch zu den während der Weimarer Republik entwickelten Verfahren allgemeinen, gleichen Wahlrechtes, dem besonders mehrere der jüngeren Lehrer anhingen.
Als beide Schulen diesen schweren Einschnitt glücklich überstanden hatten, begannen bald darauf die Eingriffe durch die Nationalsozialistischen Behörden.

Die Freie Goethe-Schule im Bild

Es wurde beschlossen, im preußischen Wandsbek zu bleiben. Im März 1924 erwarb Hans Pohlmann ein ca. 5000 m2 großes Gelände an der Bleicherstraße, auf dem dann bereits 1925 das neue Schulgebäude fertiggestellt wurde. Es enthielt zehn Klassen- und entsprechende Fachräume sowie eine Aula mit etwa 400 Plätzen.

Satzung von 1933

Ein Teil des Kollegiums Ende der 20ger Jahre

Freie Goethe Schule 1936-1937 in eigener Darstellung und Bilanz

Reaktionen der Behörden 1937

Erinnerungen von vier Schülerinnen an die Freie Goethe-Schule

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